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Innovationen in der Migränetherapie

Nach Jahren des Stillstands in der Migränetherapie gibt es endlich neue, innovative Entwicklungen wie die Migränespritze, die Ditans & Gepants sowie einen interessanten Inhalator.

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Migräneprophylaxe mit der sinCephalea App

Hast du auch schon viele Akut-Medikamente und Prophylaxe-Medikamente ausprobiert? Und hat sich deine Migräne noch nicht verbessert, obwohl du dein Leben schon komplett auf den Kopf gestellt hast? Wenn du noch keine ideale Therapie für deine Migräne gefunden hast, bist du hier genau richtig. Denn ich möchte dir heute vier Neuigkeiten in der Behandlung von Migräne vorstellen:

  1. Die eigens für Migräne entwickelten CGRP-Injektionen (auch allgemein als monoklonale Antikörper oder Migräne Spritze bekannt)
  2. ein arzneifreier Inhalator
  3. und die sogenannten „Ditans
  4. und „Gepants“ (bisher nur englische Begriffe vorhanden).


Während die CGRP-Antikörper prophylaktisch, also vorbeugend, in der Migränetherapie eingesetzt werden und bereits seit 2018 auf dem europäischen Markt zugelassen sind, handelt es sich bei den anderen drei Innovationen um Behandlungsmaßnahmen, die während der akuten Migräneattacke angewendet werden können.

Seit der Markteinführung der Triptane Anfang der 90er Jahre herrschte lange Zeit Stillstand in der Entwicklung von speziellen Akut-Medikamenten für Migräne. Umso besser, dass sich jetzt Einiges tut. Gerade für Personen, bei denen Triptane nicht wirken, die nicht mit den Nebenwirkungen der Triptane zurecht kommen, oder bei denen wegen Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen die Verwendung von Triptanen nicht angezeigt ist, könnten diese neuen Akut-Medikamente eine Bereicherung sein.

Das erste Ditan und die ersten Gepants sind in den USA bereits Anfang 2020 auf den Markt gekommen. Wann sie in Europa verschrieben werden können, ist unklar, da hier andere Regularien gelten. Aber lange kann es nicht mehr dauern.

Und wer Medikamenten generell eher skeptisch gegenüber eingestellt ist, wird sich über den arzneifreien Inhalator freuen, der bereits jetzt schon freiverkäuflich erhältlich ist.

Die CGRP-Antikörper – Hilft die Spritze gegen Migräne wirklich?

Seit kurzem in der EU zugelassen sind diese erstmals speziell für die Behandlung von Migräne entwickelten Medikamente: die Migräne-Antikörper Erenumab (Aimovig®), Galcanezumab (Emgality®) und Fremanezumab (Ajovy®). Es ist schon lange bekannt, dass der Botenstoff CGRP (Calcitonin Gene Related Peptide) bei der Entstehung von Migräne eine wichtige Rolle spielt, denn er wirkt gefäßerweiternd.

Das Medikament Erenumab hemmt den CGRP-Rezeptor im Gehirn, die anderen beiden Wirkstoffe Galcanezumab und Fremanezumab richten sich direkt gegen das CGRP. Ein Novum: Die CGRP-Antikörper-Therapie wirkt innerhalb der ersten Tage und nicht wie bei anderen Migräneprophylaxen erst nach Monaten. Anwendung: Sie werden entweder monatlich oder alle drei Monate unter die Haut injiziert. Die Verträglichkeit scheint gut und die Attackenfrequenz konnte nachweislich relevant reduziert werden2/3.

Migränetherapie

Was kostet die Spritze bei Migräne? Und wer verschreibt die Migränespritze?

Problematisch sind allerdings die hohen Kosten und die damit verbundene Schwierigkeit der Kostenübernahme der Antikörper-Therapie durch die Krankenkassen. Migräne-Betroffene, die das Medikament verschrieben bekommen möchten, müssen unter einer diagnostizierten chronischen Migräne (mit mindestens 15 Schmerztagen im Monat) leiden und schon diverse andere Prophylaxe-Medikamente erfolglos ausprobiert haben. Wenn ihr Bedarf habt, wendet euch am besten an eure Neurolog:innen und zeitgleich an die Krankenkasse. Denn jede Krankenkasse und auch Ärzt:innen reagieren anders und es lohnt sich immer, direkt bei beiden Instanzen nachzufragen, wie es mit der Genehmigung und der Kostenübernahme aussieht.

Der Inhalator – Migränetherapie durch mehr Sauerstoff?

Bereits auf dem Markt und frei verkäuflich ist ein neu entwickelter Inhalator, der die Zusammensetzung der Atemluft ändert und somit komplett arznei- und nebenwirkungsfrei ist. Die Wirkung des Inhalators beruht auf der Annahme, dass Migräne als Teil einer Kettenreaktion auftritt, bei der sich die Venen im Gehirn zusammenziehen und daher das Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgen können.

Anwendung: Kündigt sich eine Migräneattacke an, kann man durch das Einatmen durch den Inhalator und mithilfe einer Smartphone-App sowie einer Kontrolleinheit die CO2-Konzentration im Blut anheben und den Sauerstoffgehalt hoch halten. Die Blutgefäße, die das Gehirn mit Sauerstoff versorgen, werden dabei um bis zu 70% erweitert.4

In einer kleinen, dänischen Pilotstudie5 mit elf Patient:innen mit Migräne mit Aura konnten erstaunliche Ergebnisse beobachtet werden: die Studienteilnehmer:innen konnten bei Verwendung des Inhalators im akuten Anfall die Schmerzmedikation minimieren oder sogar ganz weglassen. Zudem konnte beobachtet werden, dass die Schmerzlinderung bereits nach Sekunden einsetzte und dass die Wirkung der Schmerzlinderung mit jedem Einsatz des Inhalators deutlich zunahm: 45% der Studienteilnehmer:innen erlebten beim ersten Mal einen Effekt, bei der zweiten Verwendung waren es bereits 78% der Studienteilnehmer:innen.

Das Team um Dr. Troels Johansen, der die Studie im Rahmen seiner Promotion an der Abteilung für klinische Medizin der Uni Aarhus und der Kopfschmerzklinik des Universitätskrankenhauses Aarhus in Dänemark durchgeführt hat, plant nun eine große klinische Studie, die die Wirkung des Inhalators nun auch auf Patient:innen mit Migräne ohne Aura und mit chronischer Migräne untersuchen wird.

Migränetherapie

Ditane – eine neue Migränetherapie

Das Anfang des Jahres in den USA erstmals auf dem Markt erschienende Ditan ist die sogenannte Schwester des Triptans. Der Unterschied ist, dass der Wirkstoff über die Blut-Hirn-Schranke ins zentrale Nervensystem geht und somit direkt ins Gehirn. Zudem haben sie keine gefäßverengenden Eigenschaften, d.h. sie haben keinen Einfluss auf die Herzkranzgefäße wie die Triptane. Es muss zwar noch in weiteren Tests nachgewiesen werden, aber somit könnten die Ditane auch für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen geeignet sein, denen aufgrund der gefäßverengenden Eigenschaften von Triptanen abgeraten wurde.

Bei dem Ditan handelt es sich um einen 5-HT-Serotonin-1F-Rezeptor-Antagonist: Der 1F-Rezeptor ist ein spezieller Rezeptor-Untertyp, der sich an den Nervenzellen im Gehirn befindet. Indem der Antagonist (das Ditan) sich an diesen Rezeptor bindet, werden hemmende Neuronen aktiviert, die den Schmerzmechanismus unterbinden. Auf der Suche nach einem Medikament, welches die Gefäße nicht verengen sollte, fand man irgendwann diesen Rezeptor-Subtypen und entwickelte ein Medikament, das nur an ihn und nicht an die diversen anderen Subtypen andockt (und somit wieder eine Gefäßverengung mit sich führten).

Professor Dr. Uwe Reuter ist Neurologe an der Charité in Berlin und hat auf dem Migraine World Summit über „Ditans“ und „Gepants“ gesprochen1. Bereits beobachtete Nebenwirkungen können laut Reuter Störungen des zentralen Nervensystems wie Benommenheit, Schwindel, Schläfrigkeit, Müdigkeit und Kraftlosigkeit sein – aber eben nicht das unangenehme Engegefühl in der Brust, das viele von den Triptanen kennen.

Ansonsten ist die Wirkung laut Reuter ähnlich wie die der Triptane. Somit stellen Ditane im Wesentlichen eine weitere Behandlungsmöglichkeit für Migräne-Betroffene dar. Erstmal wird es nur ein Ditan geben, das Lasmiditan.

Unter dem Markennamen (ReyvowTM) ist es bereits seit Januar 2020 in den USA auf dem Markt. Europa wird hoffentlich schnellstmöglich nachziehen. Erste Studien bestätigen die erfolgreiche Reduktion von Migräne-assoziierten Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Licht- und Geräuschempfindlichkeit.6

Migränetherapie

Gepants – die Zukunft der Migräne-Behandlung?

Gepants sind sogenannte Calcitonin-Gene-Related-Peptide-Antagonisten. Dieses Peptid spielt, wie oben bei der Spritze gegen Migräne bereits beschrieben, eine entscheidende Rolle in der Entwicklung einer Migräne. Ein Antagonist bindet sich an den Rezeptor und blockiert somit die Funktion des Rezeptors und stoppt z.B. die Aktivierung von Schmerzneuronen.

Gepants können laut Reuter als Akut- und auch als Prophylaxe-Medikamente verwendet werden. Als Prophylaxe müssen sie vermutlich ein- oder zweimal täglich eingenommen werden – die Dosierung ist gerade in der Testphase.

Gepants sind die ersten CGRP-Rezeptor-Antagonisten auf dem Markt. Der große Unterschied ist also, dass sie nicht (wie Ditans und Triptane) am Serotonin-System ansetzen sondern am CGRP-System. Und somit ist auch das Nebenwirkungsprofil ein ganz Anderes: keine Nebenwirkungen des zentralen Nervensystems, wie Schwindel, oder des Herz-Kreislaufsystems, wie die gefäßverengenden Effekte, die sich durch Engegefühl in der Brust bemerkbar machen. Vom Nebenwirkungsprofil her sind die Gepants daher eine sehr mildes Medikament.

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Als weiterer großer Vorteil wird von Sander et al. angegeben, dass man Gepants als wirksames Akut-Schmerzmittel quasi täglich einnehmen könnte, ohne dass es, wie bei Triptanen oder anderen Schmerzmitteln, die Gefahr der Entwicklung eines Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerzes (MÜK) erhöhen würde7.

Die ersten Gepants zeigten eine Erhöhung der Leberenzyme. Daher wurde die Forschung lange Zeit aufs Eis gelegt wurde. Neuere Gepants zeigen diese Werte glücklicherweise nicht mehr. Die meisten von ihnen werden trotzdem wohl erst in einigen Jahren auf den Markt kommen, da sie sich noch in einer frühen Forschungsphase befinden. Aktuell werden mehrere Gepants getestet, so dass dort hoffentlich eine etwas größere Bandbreite entstehen wird.

Ende 2019 wurde bereits das erste Gepant (Ubrogepant) unter dem Markennamen UbrelvyTM in den USA zugelassen. UbrelvyTM wird zur akuten Therapie von Migräne mit und ohne Aura eingesetzt8. Ende Februar 2020 kam dann bereits das nächste Gepant mit dem Namen Rimagepant auf den Markt (Markenname NurtecTM). Rimagepant ist ebenfalls nur als Akutmedikation einsetzbar.9

Migränetherapie

Fazit

Wie man sieht, tut sich nach langem Stillstand endlich Einiges in der Migränetherapie. All diejenigen, die bis jetzt noch nicht ihre passende Therapie gefunden haben, dürfen also hoffen. Und dies ist sicherlich erst der Anfang. In Zukunft wird es hoffentlich noch weitere neue Ansätze und Therapiemethoden bei Migräne und Kopfschmerzen geben.

Wer eine nicht-medikamentöse Prophylaxe bevorzugt, kann Migräne übrigens auch mit der App auf Rezept sinCephalea Migräneprophylaxe behandeln. Die Migräne-App hilft dir herauszufinden, welche Lebensmittel hohe Blutzuckerschwankungen bei dir hervorrufen, so dass du die Lebensmittel in Zukunft reduzieren kannst. Es wurde nämlich nachgewiesen, dass hohe Blutzuckerschwankungen auf mehreren Ebenen Migräneanfälle begünstigen10-13 und dass eine niedrig-glykämische Ernährung, die den Blutzucker stabil hält, eine wirksame Migräneprophylaxe ist14-16. Ist das nicht großartig?

Lass dir die App auf Rezept sinCephalea von Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen direkt in der Praxis oder per Videosprechstunde verschreiben. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für diese neue effektive Form der Migränepropylaxe.

Quellen

  1. Reuter, U. 2019: “Treatment spotlight: ditans and gepants” Interview-Transcript. In: https://www.migraineworldsummi… (Zugriff: 28.10.2019)
  2. Meißner, T. 2017: “Vier neue Antikörper gegen Migräne in Sicht” In: https://www.aerztezeitung.de/m… (Zugriff: 25.10.2019)
  3. Diener H.-C. et al. 2019: “Prophylaxe der Migräne mit monoklonalen Antikörpern gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor”, Ergänzung der S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (Zugriff: 09.03.2020)
  4. Migraine can be treated without medicine, pilot study finds In: https://www.sciencedaily.com/releases/2018/10/181004110050.htm (Zugriff: 28.10.2019)
  5. Johansen, T., Fuglsang C.H. et al. 2018: „Treatment of acute migraine by a partial rebreathing device: A randomized controlled pilot study.“ In: Cephalalgia, Volume 38, Issue 10.
  6. American Headache Society. 2020: “Lasmiditan, First Oral Serotonin 5-HT1F Receptor Agonist or Ditan, Available for Prescription” In: https://americanheadachesociety.org/news/lasmiditan-prescription/ (Zugriff 14.05.2020)
  7. Sandor, P.S. et al. 2019: “CGRP-MoAbs – «game changer» in der Migräneprophylaxe?” In: Swiss Med Forum. Issue 19(0102). pp. 24-25. DOI: https://doi.org/10.4414/smf.2019.03431 https://medicalforum.ch/articl… (Zugriff: 28.10.2019)
  8. Moll, D. 2020: “Ubrelvy in den USA. FDA: Erstes „-gepant“ gegen Migräne zugelassen” In: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/01/03/fda-erstes-gepant-gegen-migraene-zugelassen (Zugriff: 14.05.2020)
  9. American Headache Society. 2020: “ Rimegepant Approved by FDA for the Acute Treatment of Migraine in Adults” In: https://americanheadachesociety.org/news/rimegepant-acute-migraine-treatment/ (Zugriff: 14.05.2020)
  10. Bernecker C. et al. (2011): Oxidative stress is associated with migraine and migraine-related metabolic risk in females. In: European Journal of Neurology, 18(10), S.1233-9.
  11. Gruber, H.-J. et al. (2010): Hyperinsulinaemia in Migraineurs Is Associated with Nitric Oxide Stress. In: Cephalalgia30 (5), S. 593–98. https://doi.org/10.1111/j.1468-2982.2009.02012.x.
  12. Siva, Z.O. et al. (2018): Determinants of Glucose Metabolism and the Role of NPY in the Progression of Insulin Resistance in Chronic Migraine. In: Cephalalgia38 (11), S. 1773–81. https://doi.org/10.1177/0333102417748928.
  13. Yilmaz, N. et al. (2011): Impaired Oxidative Balance and Association of Blood Glucose, Insulin and HOMA-IR Index in Migraine. In: Biochem. Med., 21, S. 145–151.
  14. Bongiovanni, D. et al. (2021): Effectiveness of Ketogenic Diet in Treatment of Patients with Refractory Chronic Migraine. In: Neurol Sci, doi:10.1007/s10072-021-05078-5.
  15. Evcili, G. et al. (2018): Early and long period follow-up results of low glycemic index diet for migraine prophylaxis. In: Agri.30(1), S. 8-11. doi: 10.5505/agri.2017.62443.
  16. Razeghi, J. S. et al. (2019): Association of diet and headache. In: Journal of Headache and Pain, 20(1), S. 106. doi:10.1186/s10194-019-1057-1.

Über den/die Autor:in

Foto des Autors

Miriam Jansen

Miriam musste wegen chronischer Migräne ihren Beruf aufgeben - und wurde in dieser Zeit zur Migräne-Expertin. Die Migräne hat ihr zu einem radikalen Lebenswandel verholfen: Sie lebt nun als digitale Nomadin in ihrem Bus und arbeitet als Texterin & als Schäferin auf einer Alp.
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